Der Defi Wind – Ein Regatta der Superlative

Der Defi Wind – Ein Regatta der Superlative

Liebe Segelfreunde, neben dem Katamaran- und Jollensegeln fröne ich seit Kindheitstagen einer weiteren Passion: Dem Windsurfen. Im SCIA finden sich unter uns Seglern einige aktive und ehemalige Windsurfer, welche diese Passion mit mir teilen. In unserem Verein, der die Pflege und die Förderung des Wassersports, insbesondere des Segelsports verfolgt, möchte ich gerne auch einmal das Augenmerk auf die „Mutter aller Trendsportarten“ richten, welche als Sparte im DSV seit über 30 Jahren betreut wird und mit dem IQ Foil eine der jüngsten olympischen Segeldisziplinen darstellt.

Einmal pro Jahr findet in Gruissan, Südfrankreich der Défi Wind, die größte und härteste Windsurfregatta der Welt statt. Der Wettkampf erstreckt sich über insgesamt 4 Tage und die puren Zahlen lassen bereits die Dimension erahnen: 1400 Starter im Alter von 13 bis 76 Jahren, Profis und Amateure, Finne und Foil gemischt, 4 Rennen à 40 km, also 160km Gesamtstrecke! Mindestwindgeschwindigkeit zum Start des Rennens: 25 Knoten.

In der kalten Winterzeit habe ich den Beschluss gefasst, erstmalig an dieser Regatta teilzunehmen. Im Februar wurde die Meldeliste geöffnet und es gelang mir frühzeitig einen der begehrten und limitierten Startplätze zu ergattern. Innerhalb kurzer Zeit waren alle 1400 Plätze vergeben. Teilnehmerrekord! Ab diesem Moment war klar: Ich bin dabei und ohne eine entsprechende körperliche Vorbereitung wird es unmöglich, die gesamte Distanz zu bewältigen. So begann ich täglich meinen Körper auf die bevorstehenden Strapazen mit gezieltem Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining vorzubereiten. Ein Problem stellte das echte Training auf dem Wasser dar, nachdem wir leider nicht mit starken Winden und milden Temperaturen gesegnet sind. Jeder Sturmtag im Winter wurde also trotz widrigster Bedingungen (meist mit Temperaturen zwischen -5 und 10 Grad) zum Training auf unserem geliebten Ammersee genutzt.

Am 12. Mai ging es schließlich los. Ich startete mit meinem vollgepackten VW Bus (3 Windsurfboards, 7 Segel, 3 Gabelbäume und einem riesigen Haufen an Zusatzmaterial) meine 1.100 km lange Fahrt nach Südfrankreich. Es ging zunächst in das bekannte Starkwindrevier Leucate, um mich intensiv unter lokalen Bedingungen 5 Tage auf den Wettkampf vorzubereiten. Dort angekommen herrschten ideale Trainingsbedingungen: Milde 23 Grad, ein starker Tramontana, welcher jeden Tag mit 40 – 50 Knoten blies und dies bei strahlendem Sonnenschein. Ein Paradies! Nun konnte endlich entsprechend trainiert werden. Es galt, die idealen Segel- und Boardkombinationen sowie die passenden Materialeinstellungen für extremen Starkwind zu finden. Außerdem war es die erste Möglichkeit die Gesamtdistanz eines Laufes, nämlich 40km am Stück zu absolvieren.

Nach den Trainingstagen zog ich nach Gruissan, den Ort des Wettbewerbs, weiter.  Es folgte die Registrierung vor Ort mit Vergabe der Teilnehmertrikots und GPS-Tracker zur Überwachung während der Regatta. Am ersten Wettkampftag stand ich früh auf und war zugegebenermaßen doch ein bisschen aufgeregt. Das Material musste an den Strand geschafft und aufgebaut werden. Der Wind blies mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 Knoten etwas schwächer als im Training, was die Materialwahl erschwerte. In der Steuermannsbesprechung wurde dann nochmal der Ablauf erklärt: Der Start erfolgt für alle Teilnehmer als Hasenstart an einer Startlinie mit 900m Länge. Der gesamte Kurs wird in etwa bei Halbwind (ablandig) gefahren. Es geht 10km zur ersten Tonne parallel zum Strand und wieder zurück, insgesamt 2 Runden.

Der 60 Minuten Countdown zum Start begann und alle Teilnehmer begaben sich nach und nach aufs Wasser. Jeder versuchte sich möglichst gut zu positionieren um direkt nach der Passage des Startboots die Linie möglichst in Gleitfahrt zu überqueren. Dies ist selbst bei 30 Knoten Wind auf Grund der starken Abwinde schwieriger als man denkt.  Der Countdown lief ab und das Startboot begann mit einer Geschwindigkeit von 40 Knoten die 900m lange Startlinie von Lee nach Luv zu rasen. Die meisten Profisurfer starteten im Leebereich. Ich hatte mich erst mal für die Mitte entschieden und erwischte einen mittelmäßigen Start. Es gestaltete sich bei einem ungünstigen Windeinfallswinkel als erstaunlich schwierig Höhe zu laufen, was mich im ersten Rennen viel Zeit kostete. Nach 59 Minuten beendete ich die erste Wettfahrt, bei der ich mit Aufkreuzen insgesamt ca. 50km zurücklegte.

Der erste Tag war für viele Teilnehmer schwierig und es berichteten auch im Profilager einige Athleten über Probleme beim Höhelaufen. An diesem Tag mussten bereits über 140 Teilnehmer von der Sicherheitscrew gerettet werden, die auf Grund von Erschöpfung, Materialbruch oder Verletzung zu Aufgabe gezwungen waren. Das Sicherheitsteam, bestehend aus über 150 Rettungsschwimmern auf 30 Motorbooten sowie Jetskis lieferte eine beachtliche Leistung.

Der zweite Renntag verlief für mich deutlich besser. Bereits beim warm-up erreichte ich eine Spitzengeschwindigkeit von über 62 km/h was ich als gute Prognose wertete. Am Ende des Tages errang ich im ersten Lauf den 487. und im zweiten Lauf den 452. Platz in der Wertung. Beeindruckend war die Geschwindigkeit, mit der die Profisurfer die Strecke absolvieren: Es wurden Spitzengeschwindigkeiten um die 80km/h erreicht und die Besten beendeten die Wettfahrten in knapp über 30 Minuten! Enorm, wenn man bedenkt, dass man mit dem Fahrrad für 40km 2-3 Stunden benötigt… Ebenso ist es auch ein wenig beängstigend, wenn man sich auf dem 8er Kurs mit einem Geschwindigkeitsunterschied von 140km/h und mehr entgegenkommt.

Nach den Rennen konnte man gemütlich durch das eigens aufgebaute Surferdorf schlendern, in dem sich die Sponsoren an vielen Ständen mit den Profis präsentierten und einiges an Kulinarik ( z.B. Freibier und “Frei-Austern“) und Unterhaltung geboten war.

Das letzte Rennen beendete ich auf dem 653. Platz, was mir abschließend den 577. Platz in der Gesamtwertung (Finne und Foil) bescherte. In der Finnenwertung wurde ich 340ster. Von über 70 deutschen Teilnehmern konnte ich mich auf dem 13. Platz einordnen.

Der Defi Wind 2023 war eine beeindruckende Erfahrung und eines ist gewiss: Es war sicherlich nicht meine letzte Teilnahme!

Roman Kowalski